Workpacking

Ein Jahr, ein Mann, ein Cargobike: Alltag, Arbeit, Abenteuer!

Gunnar Fehlau, überzeugter „Velopreneur”, verlädt am 2. Januar 2023 seinen gesamten Hausstand für ein Jahr auf ein E-Cargobike und nimmt die Idee des „Mobile Office“ wörtlich. In seinen Packtaschen befindet sich alles, was er zum Leben und Arbeiten benötigt. Statt sich mit kleinen Abenteuerfahrten von Alltag und Arbeit zu erholen, finden „Alltag, Arbeiten und Abenteuer“ auf neue Weise zusammen: Aus „Bikepacking“ wird „Workpacking“. Auf unterhaltsame Anekdoten eines Velopreneurs folgen tiefgründige Überlegungen zu den Themen „Digitales Arbeiten“ und „New Work“. Dazwischen gewährt das Buch tiefe Einblicke in die Seele eines Abenteurers und Unternehmers und bietet zahlreiche Life-, Bike- und Outdoor-Hacks.

Der Bodensee(-Radweg) ist ein velo-touristi scher Hotspot, eine perfekt geschmierte Maschinerie erlaubt hier erholsamen Radurlaub für jeden Geschmack. Ob Gepäcktransport, Leistungsgruppen oder Reparaturdienst, für alles ist gesorgt. Entlang der Strecke kann man quasi jederzeit einkehren, es scheint, es gäbe keinen Wunsch, der den Pedalierenden nicht erfüllt werden könnte. Soweit die Praxis im Sommer. Ich bin aber Ende Januar unterwegs, und der Tourismus befi ndet sich im Winterschlaf. Seit 20 Kilometern radle ich auf dem Radweg zwischen Ufer und Bundesstraße, kein Etablissement zum Kuchenverzehr oder Kaffeegenuss ist geöff net. Die Sonne bricht sich kurz durch die Wolken. Ich will angesichts von 0° Celsius nicht von Gemütlichkeit reden, aber nach düsteren Tagen bei –7° Celsius fühlt es sich an wie "freundliches Wetter". Spontan entscheide ich an einer Picknick-Sitzgruppe, meiner Suche ein Ende zu bereiten, halte an und mache mir kurzerhand den ersehnten Kaff ee selbst. Mmmmmmhhhh, selten war er leckerer. 

Wir sind acht Verwegene, die sich auf das Brevet begeben, und fahren gemeinsam los. Das Union beschleunigt zäh, hat die Aerodynamik einer Schrankwand und bremst dabei auch nur mäßig. Kurz: Das Rad ist eine echte "Eierfeile". Erste Defekte beziehungsweise kleine Schraubereien, um große Ausfälle zu verhindern, stoppen die ersten Mitstreiter. Das Acht-Mann-Peloton fällt augenblicklich auseinander. Das Wendland ist auch ehemaliges innerdeutsches Grenzgebiet, sein Gegenüber im Osten heißt Altmark. Eierfeilen-Brevet-Erfinder Frank ließ es sich nicht nehmen, eine Passage über den gerühmten Kolonnenweg zu führen. Irgendwo vor Lüchow fahre ich auf Uwe auf, und wir beschließen, das Brevet zusammen zu Ende zu fahren. An einem Supermarkt lasse ich unauffällig (gegenüber Uwe) zwei Bierdosen (bezahlt!) in meine Tasche verschwinden, um ihn mit diesen 15 Kilometer vor dem Ziel zu überraschen und für den berühmten zweiten Atem zu sorgen. Wir rollen nach 10 Stunden und 25 Minuten Nettofahrzeit (knapp 13 Stunden) wieder bei Frank ein. Geschafft ! In beiden Wortsinnen! 

Nachdem mich Marti n gestern in sein "Boofe-Terrain" mitgenommen hat, revanchiere ich mich heute mit einem gemeinsamen Ausflug in den Arbeitsalltag des Workpackings. Es beginnt mit einem Wett ercheck: Wie warm ist es, bleibt es trocken, wie sind die Windverhältnisse? Jetzt der Netz-Check: Reicht die Netzabdeckung zum ruckelfreien Zoomen? Alles okay bis hierhin? Dann Augen auf: Wo lässt sich gut sitzen und das Rad sicher abstellen? Ist ein geeignetes Plätzchen ausgemacht, folgt der Fokus-Check: Wie sind die Lärm- und Störungsverhältnisse durch die Außenwelt? Und kann man vertrauensvoll sprechen. Oder gibt es "Mithörer", schlimmstenfalls sogar Mitblicker auf den Monitor? Marti n kann seine Bikepacking-Spot-Spott er-Erfahrung ad hoc zu 100 Prozent für diese Workpacking-Aufgabe urbar machen. Er fi ndet eine Bank, die perfekt ist. Wir haben noch sieben Minuten, bis das diensttägliche Wochen-Meeti ng des gesamten Teams beginnt. Da staunen die Kolleg:innen nicht schlecht. Heute hat es zwei Zoom-Kacheln aus dem Outdoor-Office. Es ist Praktikanten-Premiere beim Workpacking. Der Workpacking-Praktikant